Wie eine Münchner Anwältin Pionier-Arbeit in China leistete – BR24 Radiosendung 5.4.2025
Sabine Stricker-Kellerer aus München war die erste europäische Anwältin in China. Jetzt berät sie deutsche Firmen im China-Geschäft – und ihr Ratschlag ist auch in der Bundespolitik gefragt. Sie sagt: Die Auto-Krise hätten Manager vorhersehen können.
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Von Astrid Freyeisen
Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am 05.04.2025 um 20:33 Uhr.
Die deutsche Automobilindustrie ist in der Krise – ein Hauptgrund: Das wichtige China-Geschäft läuft nicht mehr so gut wie über Jahrzehnte gewohnt. Mitte der 80er Jahre baute VW in Shanghai sein erstes Werk und löste damit einen beispiellosen China-Boom in der deutschen Industrie aus. Etwa 5.000 Firmen haben mittlerweile dort Werke oder Vertretungen.
„What goes up, must go down“
Beispiel Volkswagen: Ein Drittel des gesamten Konzernumsatzes, 38 Werke, 90.000 Mitarbeiter dort – die Abhängigkeit vom größten Automarkt der Welt China ist enorm. Die Deutschen fahren nicht mehr vornweg: Deutsche Autos tragen in China hauptsächlich blaue Nummernschilder für Verbrenner, aber kaum grüne Nummernschilder für E-Autos und Hybride. Die aber sind in China der Megatrend.
Sabine Stricker-Kellerer hat Boom und Krise vor Ort miterlebt: „Wenn es Dir gut geht, musst Du immer schauen, woher der Wettbewerber kommt.“ Dann sei das Wissen auf breiteren Schultern, erklärt die Anwältin. „Es gibt viel mehr Leute, die Dein Know-How kennen.“ Gerade in Boomzeiten müsse man damit rechnen, dass die anderen lernen, sagt Stricker-Kellerer. „What goes up, must go down, hat damals in der Boomzeit ein Automobilmanager zu mir gesagt, der sehr realistisch gewesen ist. Ich sage jetzt nicht, von welcher Marke. What goes up, must go down. Weil das der Zyklus des Lebens ist.“
Ganz allein erstes europäisches Anwaltsbüro in China gegründet
Als die Münchnerin nach Peking zog, beherrschten dort noch Fahrräder die Straßen. Die Menschen waren bitterarm und trugen die blaue und graue Einheitskleidung der kommunistischen Partei. Das war 1985. Sabine Stricker-Kellerer hatte zuvor in Harvard unter anderem chinesisches Recht studiert.
Das Land faszinierte sie – Kultur, Sprache, die Öffnung nach langen Jahren der Abschottung: „Ich habe ganz allein als Anwalt im dritten Jahr meinen Koffer genommen und bin nach Peking geflogen und habe gesagt: Jetzt machen wir hier ein Büro. Mit der Kanzlei, zu der ich damals gehört habe.“
Büro im Hotelzimmer
Zuerst war ein Hotelzimmer ihr Büro. Mit einer einzigen chinesischen Mitarbeiterin. Und dem Mut, die Verantwortlichen direkt zu fragen in dieser Zeit ständiger Veränderungen und vieler neuer Gesetze: „Dann bin ich zu dem gegangen, der das Gesetz gemacht hat und habe mit ihm diskutiert, wie er sich das gedacht hat, wie man das wohl anwenden soll. Das waren die wilden Anfänge.“
Den China-Boom, der Ende der 80er begann, hat Sabine Stricker-Kellerer als ziemlich unpolitisch erlebt. Es ging ums Geschäft. Die Chinesen wollten raus aus der Armut, die Deutschen träumten von 1,3 Milliarden Kunden. Dann kam das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 in Peking. Aber das habe die Geschäftsbeziehungen nur für etwa ein halbes Jahr unterbrochen, erinnert sich die Anwältin: „Wie schnell die Welt zur Normalität zurückkehrte, hat mich damals am meisten überrascht. Manchmal überlege ich mir, ob das heute auch so wäre.“
Offizielle deutsche Vorsitzende im Dialogforum mit China
Unzählige westliche Firmen bauten Fabriken in der Volksrepublik. Auch deshalb ging dort die Armut zurück – trotz für westliche Verhältnisse niedriger Löhne. Der Boom brachte aber neue Probleme: billige Raubkopien, Qualitätsmängel – zuerst stand Made in China dafür. Dann holte das Land technologisch rasant auf. Und ist heute vor allem digital am Überholen. Bei den E-Autos ist das bereits gelungen. Das Ziel: Zum hundertsten Geburtstag der Volksrepublik – 2049 – will China politisch und wirtschaftlich in der Welt die Nummer eins sein.
Sabine Stricker-Kellerer macht sich Gedanken, wie sich Deutschland gegenüber China künftig positionieren soll. Sie berät von München aus nicht nur Firmen und Bundespolitiker, sondern pendelt auch regelmäßig nach China. Seit Herbst 2023 ist sie Teil einer wichtigen Doppelspitze – deutsche Ko-Vorsitzende im deutsch-chinesischen Dialogforum. Auf chinesischer Seite spricht sie mit Wan Gang, dem ehemaligen Wissenschaftsminister, der in Deutschland studiert und zehn Jahre bei Audi gearbeitet hat. Er gilt als der Vater der chinesischen E-Autos.
Dieser Beitrag wurde von BR24 veröffentlicht und stammt aus der Radiosendung vom 5. April 2025. (Autorin: Astrid Freyeisen | Quelle: BR24 | abgerufen am 08.04.2025. Das DCDF übernimmt keine redaktionelle Verantwortung für den Inhalt.